Betreiber des Restaurants Schmitt machen mit sarkastischem Text auf willkürlich wirkende Verordnungen der Politik aufmerksam
Höpfingen. (jam) „Liebe Gäste, Freunde und Bekannte, wir freuen uns, dass wir Sie bei bestem Wetter bald wieder auf unserer Terrasse begrüßen dürfen.“ Wer sich zunächst über diese Ankündigung des Restaurants Schmitt in Höpfingen freut, hat noch nicht weit genug gelesen. Denn die Betreiber des Gasthauses würzen ihre Aussage offensichtlich mit einer gehörigen Prise Sarkasmus: „Genießen Sie ein frischgezapftes Distelhäuser Pils bei gemütlichen zwei Grad über null. [...] Leichter Wind und Graupelschauer versüßen Ihnen den Aufenthalt bei uns.“ Mit ihrer Nachricht in den sozialen Medien prangern Heike und Martin Schmitt die fehlende Perspektive für die Gastronomie, das Versagen der verantwortlichen Politiker und die mangelnde „Wertschätzung und Leidenschaft, die unserer Branche entgegengebracht wird“ an.
Wie perspektivlos augenblicklich die Lage von Gastronomen wie der Familie Schmitt ist, offenbart ein Blick in die aktuellen Corona-Verordnungen. Zwar hatte die Ministerpräsidentenkonferenz Anfang März eine Öffnung der Außengastronomie bei niedriger Inzidenzzahl ab dem kommenden Montag in Aussicht gestellt, aber zum einen steigen nun wieder die Zahlen und – viel wichtiger – zum anderen hat Baden-Württemberg dieses Zugeständnis an Wirtsleute gar nicht erst in die eigene Corona-Verordnung übernommen. Zur Öffnung der Gastronomie finden sich darin keine Regelungen. Selbst wenn also am Montag die Inzidenzzahlen unter 100 liegen und sich der noch junge Frühling besonders sommerlich gibt, dürfen Biergärten im Ländle – nach aktuellem Stand – trotzdem nicht öffnen.
Dementsprechend harsch waren die Reaktionen aus der Gastronomie auf diese Beschlüsse, die vorläufig noch bis zum 28. März gelten, ausgefallen. „Bei den Unternehmern und Mitarbeitern in der Branche machen sich zunehmend Verzweiflung, Perspektivlosigkeit und Zukunftsängste breit“, sagte Guido Zöllick, der Präsident des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga.
Zukunftsängste sind es nicht, die die Höpfinger Wirtsleute umtreiben. „Als reiner Familienbetrieb werden wir die Krise überleben“, hatte Martin Schmitt der RNZ noch im Januar mitgeteilt. Doch mit den politischen Entscheidungen hadern Heike und Martin Schmitt schon seit längerem und sprechen vom „Versagen des Staats“. Daraus machen sie auch in ihrer nicht ernst gemeinten Veröffentlichung im Internet keinen Hehl: „Wir freuen uns auf weitere bürokratische Hürden im Kampf gegen das Virus.“
Ob Hürden oder Lockerungen – wie es konkret mit den Bereichen Gastronomie, Hotels und Veranstaltungen weitergehen soll, wollen Bund und Länder am Montag beraten. Ursprünglich standen dabei weitere Öffnungsschritte für diese Branchen auf der Agenda. Es werde über eine „Perspektive für die hier noch nicht benannten Bereiche aus den Branchen Gastronomie, Kultur, Veranstaltungen, Reisen und Hotels“ beraten – abhängig von der weiteren Entwicklung.
Mit Beginn der dritten Welle hat aber zumindest Ministerpräsident Winfried Kretschmann die für Montag geplante weitere Lockerung der Corona-Auflagen infrage gestellt. „Natürlich jetzt bei der Situation werde ich mir gut überlegen, ob ich am Montag weitere Öffnungen mache“, sagte der grüne Regierungschef in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“. Man könne womöglich weiter öffnen, wenn es Schnell- und Selbsttests in der Breite gebe, so der Ministerpräsident: „Aber das geht auch nicht von heute auf morgen.“ Er sehe zwar „den enormen Druck aus der Bevölkerung, zu öffnen“, will aber weiterhin eine „dritte Welle“ vermeiden. Die ist laut RKI-Chef Lothar Wieler aber längst angelaufen.
Diese Einschätzung des Robert-Koch-Instituts hat natürlich Auswirkungen auf den Corona-Gipfel und damit die weitere Perspektive von Gastronomen. Nach Recherchen von Business Insider erwägen Bund und Länder bereits, am Montag den geplanten vierten Öffnungsschritt bundesweit auszusetzen. Dieser Schritt besagt (wie bereits erwähnt), dass Restaurants bei einer Inzidenz bis 50 im Außenbereich hätten öffnen können – bei einer Inzidenz bis 100 immerhin noch unter Auflagen.
Während Virus und Politik Gastronomen wie die Familie Schmitt voraussichtlich weiter im Regen – oder besser im Schnee – stehen lassen, sind Reisen nach Mallorca wieder ohne Quarantäne und Testpflicht bei der Rückkehr möglich. Zwar appelliert die Regierung, auf jede nicht unbedingt notwendige Reise zu verzichten, aber letztlich darf jeder diese Entscheidung für sich treffen. Die Höpfinger Wirtsleute haben diese Freiheit nicht. Die Corona-Verordnung schreibt vor, dass sie in der Pension keine Urlaubsreisende und im Außenbereich keine Gäste empfangen dürfen. Dass sie mit dieser unterschiedlichen Handhabung nicht zufrieden sind, machen sie deutlich: „Allen, denen unsere Sonnenterrasse zu ungemütlich ist, empfehlen wir einen Flug auf die Balearen. Das ist ja erlaubt im Gegensatz zum Urlaub in Deutschland.“